
Eigentlich stimmt die Headline schon gleich aus zwei Gründen nicht.
Erstens: Unser Schwerpunkt-Ort war nicht Lillehammer, sondern Brumunddal und das ist exakt eine Marathonlänge von Lillehammer entfernt. Aber jetzt ganz ehrlich: Wer von Euch kennt
Brumunddal und wer kennt Lillehammer? Na also.
Zweitens: Ja, eh - natürlich werde ich einen Haufen Buchstaben über unsere zurückliegende Woche am größten See Norwegens schreiben. (Mjosa-See) Aber zugleich geht mit dem Aufenthalt hier
übermorgen eine ganz besondere Phase unseres wunderbaren Urlaubs zu Ende. Die Phase, in der wir drei große Aufenthalts-Zentralen hatten (Bergen, Alesund und Lillehammer) und die doch etwas ganz
anderes sind, als die letzten vier Übernachtungen in einem Hotel in Oslo sein werden.
Also maße ich mir an, eine Art Zwischen-Resumee zu schreiben. Was mir/uns halt so aufgefallen ist in bisher knapp drei Wochen Norwegen. Zuerst aber "Lillehammer".
Wir wohnen hier in einem Hochhaus mit 18(!) Etagen, 42 km von Lillehammer entfernt, direkt am See. Die Wohnung, die wir für 1 Woche gemietet haben, ist in der 13. Etage. Wahrscheinlich
fragen sich jetzt manche, ob wir schon ein bissi gaga sind, einen wesentlichen Teil unseres Urlaubs in einem Hochhaus zu verbringen. Gegenfrage: Habt Ihr schon amal in einem Hochhaus gewohnt, das
zur Gänze aus Holz gebaut worden ist?
Wir auch nicht. Bis jetzt. Und die Wahrheit ist: Das spürst Du an allen Ecken und Enden.
So, als würde ein ur-archaischer Reflex anspringen, in dem man wieder in einer Blockhütte wohnt und die gesamte Atmosphäre nach Natur riecht. Wir sind sehr froh und dankbar, dass der Zufall
uns so reich beschenkt hat.
Ein paar Worte zu Lillehammer.
Nun ja. Vor sieben Jahren waren wir in Kanada im Schiort Banff und da wars so wie in Lillehammer. Genauer: Ein äußerlich liebes Nest, das fast ausschließlich von seinem Ruhm als Olympiaort
lebt - die beiden Schisprungschanzen kann man von weitem sehen. Es gibt sehr viele der alten skandinavischen Häuser, die halt in Norwegen selten rot wie in Schweden sind, sondern sehr oft weiß
oder gelb. Von denen gibt's in Lillehammer sehr viele und ein paar besonders teure und schöne auch.
Das Zentrum (Sentrum auf Norwegisch) ist die Einkaufsstraße (eine Fuzo) mit fast durchgehend Holzhäusern mit Ausnahme von ein paar superscheußlichen Betonmonstern aus den 70ern. Was weiß
der Teufel, was da grade in Norwegen los war, man hat das Gefühl, dass in dieser ohnehin designtechnisch schwer belasteten Zeit eine architektonische Epidemie in Norwegen gewütet hat.
Wuascht.
In der Fuzo haben wir Knut kennengelernt. Der ist eigentlich aus Trondheim (sehr weit weg von hier) und führt ein sehr schönes Geschäft mit Wander-Accessoires. Er kann sehr gut Deutsch und
hätte uns auch gleich einen Job im Verkauf angeboten - Deutsch und Englisch würden reichen.
Wir sind statt dessen ein Haus weiter gegangen, zu einer kleinen Fress-Boutique, wo uns der Wirt mit den allerfeinsten lokalen Köstlichkeiten versorgte.
Unser Lillehammer-Highlight war der halbe Tag im Freiluft-Museum mit Häusern vom 12. bis ins 20. Jahrhundert. Aus meiner Sicht DAS Argument, hierherzukommen. Ich hab noch nie eine so
großartig kuratierte Zeitreise gemacht. Speziell die Zeit zwischen 1850 und 1950 hats mir angetan - so oft habe ich gespürt, wie meine (Ur) Großeltern gelebt haben müssen und in die Fifties des
20. Jahrhunderts wäre ich am liebsten gleich eingezogen.
Wir haben hier zwei sehr schöne Wanderungen gemacht - die schönste von allen bisher war eindeutig heute. Das Naturerlebnis ist auf eine eigentümliche Art noch direkter und dichter, als bei
uns. Und wenn man stundenlang allein durch die Botanik geht, tut das enorm viel mit den eigenen körperlichen und seelischen Innereien.
Immer wieder "flasht" einen das typische skandinavische Licht mit einer Klarheit und Tiefenschärfe, die ich bisher nur hier so erlebte.
Wenns recht ist, noch ein paar Anmerkungen zu diesem und jenem.
Das Auto.
Ein Batterie-Auto, das ein paar Umstellungen von einem jahrzehntelangen Verbrenner-Fahrer verlangt. Zunächst einmal: Es gast an, als hätte es eine Hornisse in den Hintern gestochen. Das
Ding beschleunigt wie die Hölle. Nun gibt es ja zwei "Vorwärts-Übersetzungen". Die D-Stufe ist so rasant, dass die Karre sogar dann noch anschiebt, wenn Du bremst. Die B-Stufe mag ich. Da ist der
Schub gebremst und beim Bergabfahren lädt sich die Batterie auf. Finde ich super.
Du kommst mit einem VW id3 ganz sicher knapp 400km weit, dann solltest Du aufladen.
Zumeist findest Du auch in abgelegenen Gegenden in erreichbarer Nähe Ladestationen. Es gibt eine eigene App, die Dir zeigt, wo die sind und mit ganz wenigen Ausnahmen sind sie da dann auch
wirklich.
Wer so risikoavers ist, wie ich (wir), kommt nie in die Bredouille. Speziell dann nicht, wenn Du sorgsam mit den Batterie-Fressern umgehst. Damit meine ich nicht das Licht oder die
Scheibenwischer, sondern die Klimaanlage. Die saugt an der Batterie wie ein Neugeborenes an der Mutterbrust und lässt Dich öfter an der Ladestation pausieren, als Du es möchtest.
Es gibt wenige Autobahnen, wie wir sie kennen. Sogar noch weniger, als in Schweden. Auf denen fährst Du dann 80 oder höchstens 110 km/h und kommst - man glaubt es kaum - in guter Verfassung
und guter Laune an.
Bezahlen.
Du zahlst wie in Schweden ausschließlich mit Kreditkarte. Vom Eislutscher aufwärts einfach alles. Ich habe hier bisher kein einziges Mal Bargeld in der Hand gehabt und finde das - Achtung
für alle Daten-Paranoiker - super angenehm. Noch ein Schreck für alle Daten-Klau-Phobiker: Das Parkhaus-System ist hier so wie in Schweden. Du fährst einfach rein, eine Kamera erfasst Deine
Autonummer und vor dem Rausfahren tippst Du Deine Autonummer in den Automaten, der sagt Dir, was Du schuldig bist und Du bezahlst - erraten! - mit der Kreditkarte.
Die Menschen.
Die Menschen hier sind meist wirklich freundlich und entgegenkommend. Nicht repräsentativ, aber doch auffallend: Die norwegischen Menschen sind ein bisschen mehr auf den eigenen Vorteil
bedacht, als die schwedischen. Du stehst von Deinem Sitzplatz auf der Fähre kurz auf, um Dich ein bissi zu strecken - schwupps - sitzt schon jemand auf Deinem Platz. Laut sind sie auch, ab und zu
- das ist vielleicht eine alte DNA, wenn die Vorfahren von einem Bergbauernhof zum anderen schreien mussten.
Und: Die allermeisten können mindestens 1 Fremdsprache. Englisch sowieso und doch auch immer wieder Deutsch.
Eh schon in einem früheren Blog erwähnt: Die Landschaft ist gröber, schärfer konturiert und zugleich weitflächiger über viele Quadratkilometer. Am schönsten bisher rund um Lillehammer, die
Strecke bis Oslo (ca. 130km) soll besonders reizvoll sein.
Bisheriges Fazit: Wenn man Freude hat an einem wirklich spannenden Land mit atemberaubenden Naturerlebnissen und einer Atmosphäre, in der man zwar dauernd spürt, dass man hier nicht
aufgewachsen ist, aber immer willkommen - dann ist Norwegen genau richtig. Sehr richtig sogar. Und Schweden auch. Just saying.
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