In Ösistan herrscht grade Schnapp-Atmung, weil Herbert Kickl seinen Bedeutungs-Verlust durch verbale Ausraster zu kompensieren versucht - eh alles wie gehabt.
Aktueller Allergie-Auslöser ist die Bezeichnung "Linke Zecke" für SPÖ-Spitzenpolitiker. Diese Injurie hat Groß-Alarm bei allen ausgelöst, denen ein kultivierter Umgang auch in der Politik ein Anliegen ist. Blitzschnell wurden historische Vergleiche mit der NS-Zeit bemüht, als mit der physischen Vernichtung Bedrohte als Ungeziefer bezeichnet wurden.
Vielleicht kommt es aus der schon eingetretenen Abstumpfung, aber bei "linke Zecke" kann ich nur müde lächeln - noch dazu, wo ich mich selbst gegenüber konservativen GesprächspartnerInnen auch als solche bezeichne.
Vielleicht sollten wir ein bisschen öfter und ein bisschen mehr den Ball flachhalten, weil wir sonst aus der Inflation der Erregung nicht mehr herausfinden. Das ist keine resignierte Schlamperei und auch nicht die Hinnahme einer Diskursverschiebung nach rechts.
Es ist einerseits ein Schutzmechanismus vor dem standardisierten Überhitzen und andererseits das Bemühen um Fokus auf die wirklichen oder tatsächlich gefährlichen Tendenzen, die ein politischer Berserker wie Kickl in sich birgt.
Ich fände es beispielsweise viel spannender, wenn die HohepriesterInnen der journalistischen Sittenwacht ihre investigative Energie auf ein paar Themen lenken könnten, die den WählerInnen der Faschistischen Partei Österreichs wirklich Sorgen bereiten sollten. Zum Beispiel:
- Wäre es nicht eine lohnende Aufgabe, die immer wieder vermuteten Geldflüsse zwischen dem Putin-System und der FPÖ hieb- und stichfest zu belegen?
- Wie sieht es mit regelmäßigen breitenwirksamen Dokumentationen zu jenen tatsächlich mit FPÖ-Regierungsbeteiligung beschlossenen Gesetzen aus, die real das Leben jener verschlechtert haben, die diese Partei des durchgeknallten Kapitalismus gewählt haben?
- Was ist mit der Korruption und der fachlich-moralischen Inkompetenz jener Amtsträger, die von der FPÖ bis in höchste Staatsämter geschickt werden?
Ja. Eh. In den Filterblasen der "linksversifften" Social Media wird die Empörung tapfer auf Betriebstemperatur gehalten.
Aber kann das genug sein?
Müssten nicht die vielen, denen die elende Niedertracht dieser Faschisten zum Halse raushängt, immer dann ihre laute Stimme erheben, wenn am Wirtshaustisch gegenüber rassistische Sprüche geklopft werden, wenn in der Straßenbahn unanständiger Unrat rausgegröhlt wird, wenn Lügen und Fakes als "Statistiken" getarnt verbreitet werden?
Müssten alle - ganz besonders ich selbst - denen das alles stinkt, nicht eine Alltags-Ausdauer entwickeln, um gegen den grassierenden Alltags-Faschismus anzukämpfen? Dann, wenn er stattfindet und nicht zuhause im Posting oder im Blog.
Dann wird "Linke Zecke" zu einem Ehrentitel und einem Wappenspruch, über dessen Zuordnung man sich freut.
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Clemens (Freitag, 09 Mai 2025 11:42)
"Vielleicht sollten wir ein bisschen öfter und ein bisschen mehr den Ball flachhalten, weil wir sonst aus der Inflation der Erregung nicht mehr herausfinden. Das ist keine resignierte Schlamperei und auch nicht die Hinnahme einer Diskursverschiebung nach rechts." -> irgendwie stimmt das, und dann auch wieder nicht, so ca im Verhältnis 30/70. Fakt ist schon, dass diese permanenten unterirdischen Beleidigungen ständig den Rahmen dessen erweitern, was sprachlich akzeptiert wird ("was möglich ist" würde ein Parteikollege vom Kickl sagen). Wie groß der Schritt dann zu den Taten ist, die den Worten oft folgen, weiß man natürlich nicht, allein der Gedanke daran ist aber mehr als unbehaglich....
Was an den Blauen turbokapitalistisch ist, musst du mir bei Gelegenheit erklären.
Ansonsten danke für die immer lesenswerten Beiträge, auch wenn ich sie inhaltlich nicht immer teile, regen sie doch stets zum Nachdenken an!